Eine Dame mit warmherziger Ausstrahlung sitzt im Rollstuhl. Das schlohweiße Haar will nicht geordnet anliegen und der Mund lächelt verschmitzt.

Ich schaue neugierig-aufgeweckt in graublaue Augen, deren Blicke eine Portion Schalk und jede Menge Liebe versprechen.

„Wer bist du?“

Sie streicht sanft über mein Haar und flüstert:

„Kleines Mädchen, ich bin deine Oma Konrad.“

Nur drei Begegnungen waren uns vergönnt, ehe dieses große Herz aufhörte zu schlagen und mein noch so junges fast zerbrach.  

Ein Jahr zuvor ging ihr Sohn. Nun folgte sie nach.

Oma Konrad bleibt mir ganz nah in der Erinnerung, während die

Sterne im schwarzen Nachthimmel funkeln.

© Marion Peters

Das kleine Mädchen jagt einem Zitronenfalter hinterher. Dann rennt es in die Arme ihres Papas, der die Kleine schwungvoll durch die Luft wirbelt. Neben der Picknicktasche steht ein Fläschchen Pustefix, bewacht von Brummi-Bär, den das Mädchen immer im Schlepptau hat.

Gemeinsam pusten sie die schönsten Seifenblasen in den Sommerhimmel. Plötzlich kippt das Fläschchen um und läuft aus.

„Wir füllen es Zuhause wieder auf!“

„Aber in dem Seifenblasen-Wasser waren doch alle meine Träume drin.“ Das Mädchen weint.

Heute sitzt Brummi-Bär in der Diele. Die Frau betrachtet ihn nachdenklich: „Wie viel Zeit bleibt? Wie viele Träume werden sich wohl noch erfüllen lassen?“

 © Marion Peters

Funkelnde Bleikristallgläser finden ihren Platz oberhalb des Silberbestecks auf weißem Leinentuch. Eine Karaffe Rotwein steht neben dem Teller mit den feingeschnittenen Lachsstreifen. Ausgebreitet ist das Picknick unter den Ästen der schattenspendenden Bäumen am Fluss. Ein Fächer mit Spitzenborte liegt im sonnenbeschienenen Gras, neben dem goldknopfbestückten Gehrock.

Die Szene ist malerisch. Der Tag einfach perfekt. Es ist das teuerste Picknick ihres Lebens. Stolze einhundertfünfundzwanzigtausend Euro haben Helene und Heinrich dafür hingeblättert.

Maler James Tissot widmete sich 1876 mit ganzem Pinselstrich und noch mehr Liebe zum Detail seinem prachtvollsten Werk „Das Picknick“, das jetzt die private Gemäldesammlung von Helene und Heinrich vervollständigt.

©Marion Peters

„Voilá, unser neues Zuhause mit vierunddreißig Zimmern, Kammerzofen für mich und Dienern für dich!“

Christins blaue Augen funkeln vor Freude.

Fast täglich sitzt sie im großen Sandkasten des Einfamilienhauses.

„Auf dieser Zinne soll ein Trompeter spielen, mein Prinz!“  

Aggressiv tritt Tom gegen den Sandeleimer, packt Christin an den Oberarmen und brüllt: „Das ist nur eine Sandburg! Hörst Du!“ Christin muss kichern.  

Das Telefon klingelt. Ein kurzes Gespräch.

„Alles wird gut, mein Burgfräulein“, flüstert er sanft, während Tränen über seine Wangen rollen. Tom schämt sich, weil er sich erleichtert fühlt. Soeben wurde die Zwangseinweisung seiner Frau in die Psychiatrie richterlich angeordnet.

© Marion Peters

„Heute geht aber auch alles schief! Erst habe ich den Bus verpasst und dann meinen Geldbeutel verloren. Schuld ist das schwarze Katzenvieh, das heute früh meinen Weg von links kreuzte. Ich wusste sofort, dass das ein schlechtes Omen ist.“

„Ach, das ist doch nur Aberglaube“, winkt Willi ab.

„Von wegen! Du wirst schon sehen, was noch passiert …“, trotzt Erika und lässt verzweifelt den Kopf hängen.  

Willi nimmt Erika in den Arm und flüstert: „Ob dir eine schwarze Katze Glück oder Unglück bringt, hängt einzig und allein davon ab, ob du ein Mensch oder eine Maus bist!“

Beide lachen los.

© Marion Peters

Wenn die Seele Schatten spendet,

Geist und Klugheit sind verendet.

Finsternis legt an ihr Kleid,

die Kälte frisst und nährt den Neid.

Wenn Lachen der Verzweiflung weicht,

kein Funken mehr der Hoffnung reicht.

Das Hohngelächter schallt im Ohr.

Fratzen spotten laut im Chor.

Wenn aufgebraucht ist alle Kraft,

der Körper restlos nimmt in Haft.

Gefangen in der Innenwelt.

Von außen hilft kein Quellenfeld.

Wenn kein Ausweg mehr in Sicht,

niemand, der entfacht ein Licht.

Verbleicht der Lebensstrahl zu Grau.

Zum Strick verwandelt sich das Tau.

Wenn Schwarz das einz’ge Bunt sein kann,

dann ist’s vorbei. Für immer. Jetzt.

Nicht irgendwann.

© Marion Peters